Meine heutige Buchrezension behandelt die deutsche Übersetzung der brasilianischen Ausgabe eines Experimente-Buches aus dem Aulis Verlag:
Spaß mit Physik
Kreative Versuche für Schule und Freizeit
von Eduardo de Campos Valadares
287 Seiten
ISBN 978-3-7614-2771-2
ca. 26.- EUR
Aus allen Lebensbereichen und für alle…?
Der Einstieg ins Buch bietet erst einmal den üblichen Hinweis, dass für die Experimente nur Alltagsgegenstände verwendet werden und sie daher leicht nachgemacht werden können.
Die Zielgruppe allerdings ist extrem breit: Experimente für jeden Geschmack und für jedes Alter werden versprochen. Dabei soll auch noch besonders die Teamarbeit gefördert werden. Und das Buch sei auch für Lehrer der Naturwissenschaften als Anregung gedacht. Kleinen Kindern wird empfohlen, die Experimente mit den Eltern durchzuführen, ab 14-17 Jahren geht es dann auch allein.
Viele Experimente zu vielen Themen (bis hin zur Nanotechnik) werden versprochen. Ich bin gespannt.
Gebrauchsanleitung
Das Buch startet mit einer Vorstellung gängiger Werkzeuge (von der Schutzbrille über Bohrmaschine bis zur Stichsäge) und dem Gebot „Unfälle sind zu vermeiden“. Diese Werkzeugliste lässt schon einiges erwarten. Die Werkzeugbeschreibungen selber sind aber äußerst knapp gehalten und der Inhalt eigentlich allgemein bekannt.
Fünf große Themengebiete
Unterteilt sind die vorgestellten Bauanleitungen bzw. Experimente in fünf große Themenfelder:
- (Lustige) Mechanik
- Optik: Spielereien mit Licht
- Kälte, Wärme und Riesenseifenblasen (?): Welt der Atome und unsere Welt
- Akustik: Spielereien mit Tönen
- Elektrizität und Magnetnismus: Elektrisierende Experimente
Mehr als ein Drittel der insgesamt 113 Experimente kommt aus der Mechanik, gefolgt von ca. einem Viertel aus dem Bereich der Wärme/Kälte und der Rest verteilt sich auf die anderen drei Gebiete. So weit so gut.
Alles hintereinanderweg
Obwohl die einzelnen Experimente immer nach dem gleichen Prinzip (dazu gleich mehr) beschrieben werden, leidet die Üersichtlichkeit des Buches erheblich darunter, dass die Beschreibungen einfach hintereinander gedruckt wurden. Würde wenigstens jedes Experiment auf einer neuen Seite beginnen, wäre hier schon viel gerettet.
Auch die eigentlich sehr gelungenen Grafiken werden im Text an quasi jede mögliche Stelle positioniert. Es sieht fast so aus, als hätte man beim Layout einmal alle Möglichkeiten durchprobiert, wie – und wie groß – eine Grafik in Bezug zum Text untergebracht werden kann. Wirkt nicht gerade professionell und auf mich sehr unübersichtlich. Schade.
Der Aufbau der Experimentbeschreibungen
Ein kurzer Titel und ein einleitender Satz – oft als Frage formuliert – leiten jede Beschreibung ein. Es folgt der Abschnitt „Schritt für Schritt“, der bei aufwendigen Experimenten auch schon mal in mehrere Abschnitte unterteilt ist.
Leider mischen sich in den Fließtext der Handlungsanweisungen auch weitere inhaltliche Fragen, so dass es sich etwas chaotisch liest.
Illustriert ist jede Experimentbeschreibung mit ein/zwei sehr schönen Grafiken. Ein Box an der Seite listet das benötigte Material auf und gibt generelle Hinweise, z.B. bei Gefahren.
Oft folgen noch unter der Rubrik „Einen Schritt weiter“ weiterführende Experimente oder alternative Versuchsvorschläge.
Im Abschnitt „Wissenswertes“ kommen die Erläuterungen des Effektes. Aber auch hier finden sich manchmal noch Varianten des Experimentes und weiterführende (offene) Fragen. Teilweise recht konfus geschrieben. Hier hat jemand versucht, möglichst viel von allem in den Text zu bekommen (des Guten aber zu viel, um lesbar zu bleiben).
Aufwendige Highlights
Die meisten der Experiment sind bekannt und kommen in vielen Büchern vor. Aber ein paar sind schon ungewöhnlich, besonders in Bezug auf ihre aufwendige Umsetzung:
- Abflachung der Erde an den Polen: Eine sehr aufwendige Bauanleitung für eine Maschine, die einen Drehteller antreibt. Diese Maschine wird dann aber auch für andere Experimente genutzt.
- Raketenabschussrampe für Luftrakete: Amüsiert hat mich bei der Materialliste die Maßangabe „ungefähr“ 2,54 x 2,54 x 20 cm. Jetzt weiß ich auch, warum vorne beim Werkzeuge ein Meßschieber erklärt wurde. Auch die Bauskizze muss man sich mehrmals anschauen, um sie umsetzen zu können.
- Roboterarm aus Spritzen: So aufwendig kann man die Spritzen natürlich auch befestigen!
- Meßgerät für Luftdruckmessung bei Bernoulli-Versuchen im Windtunnel
- CD-(Reflektions-)Spektrometer: schon ziemlich abgefahren
- Solarkocher aus einem alten Regenschirm
- Tolle Seifenblasenexperimente!
- Einen Sonnenschirm zum akustischen Spiegel umbauen
- Lissajousfiguren mit Laserstrahl projezieren
- Elektroantriebe mit „Rare-Earth-Disk-Magneten“ (Neodym-Hochleistungsmagneten)
- Windturbine mit selbstgebautem Generator (mit Varianten)
Zusammenfassung und Bewertung
- Materialaufwand: 4 von 5 Punkten
teilweise sehr aufwendige (notwendige?) Bauvorschläge, aber tatsächlich meist mit Alltagsmaterialien. - Versuchsbeschreibung: 2 von 5 Punkten
Sehr unübersichtlich beschrieben. In der Schritt-für-Schritt-Anleitung auch Fragen eingebaut. - Praxistauglichkeit: 3 von 5 Punkten
Für Kinder allein oft nicht durchführbar, daher für Zielgruppe „Grundschule“ oft schwierig. - Erklärung: 3 von 5 Punkten
Hier wird zuviel in die Erklärungen hineingepackt. Mir persönlich oft zu konfus. Vielleicht aber auch ein Problem der Übersetzung. - Grafik/Fotos: 4 von 5 Punkten
Sehr schöne Grafiken, die das Wichtigste sehr gut darstellen. Den einen Punkt Abzug gibt es für die seltsamen „Konstruktionszeichnungen“. - Alltagsbezug: 3 von 5 Punkten
Mehr Bezug zum Lehrstoff der Physik (naja, steht ja auch im Titel) als zum Alltag. Manchmal sind die Transferhinweise auch zu gut im Text versteckt. - Originalität: 3 von 5 Punkten
Ein knappes Duzend der Experimente ist wirklich außergewöhnlich, der Rest aber bekannt und oft beschrieben. - Bonus/Malus: + 3 Punkte
Für die ungewöhlichen Bauanleitungen und Ideen.
Gesamt: 25 Punkte
Fazit:
Ein definitiv interessantes Buch, allerdings ziemlich teuer (Aulis Verlag mit der Zielgruppe Lehrer/Sachunterricht, wird damit als „Fachbuch“ gleich teurer). Viele interessante Ideen und einige außergewöhnliche Bauanleitungen. Erfordert aber viel Nacharbeit und kann nicht „mal eben“ umgesetzt werden.